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Kennenlernen und Integration der Gruppe

Natalia Krasowska
Trainerin, interkulturelle Pädagogin, Koordinatorin des Programms Service-Learning in Sachsen

Stellen wir uns eine Skala von Null bis Zehn vor und darunter die Frage: Kenne ich Kennenlern- und Integrationsmethoden für internationale Gruppen? Da ich viele Integrationsspiele kenne, gebe ich mir zehn Punkte. Es folgt eine weitere Skala mit einer Frage: Achte ich bei der Auswahl der Methoden auf die Vielfältigkeit der Gruppe? Die Frage hat mich überrascht und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich gebe mir vier Punkte, obwohl es drei, vielleicht sogar eher zwei sein sollten. Manchmal stehe ich vor einer Gruppe und tausche schnell das geplante Spiel gegen ein anderes aus. Ein Kind im Rollstuhl kann „Besen, stehe!” nicht spielen.1 Es kann nicht schnell in die Mitte eilen, um den umfallenden Besen zu fangen, und seine Hände sind damit beschäftigt, den Rollstuhl zu bedienen.

Besonders beliebt sind zu Beginn einer Begegnung Spiele, die schnell, laut und lustig sind: So viele Namen wie möglich aufzählen, den Ball im hohen Bogen werfen, mit einem Bingo-Zettel durch den Raum laufen, das lustigste Porträt malen – all das macht zweifellos eine Menge Spaß, aber nur Kindern, die gesund, körperlich fit, selbstbewusst und extrovertiert sind. Ziel sollte es aber sein, alle Menschen einander näherzubringen, das Eis zu brechen und Unsicherheit durch Freude zu ersetzen.2

In der ersten Phase des Treffens bemerken wir jene Vielfalt, die sichtbar ist. Externe Merkmale sind diejenigen Signale, die wir bei anderen am schnellsten interpretieren. So gibt es in unserer Gruppe ein Mädchen in einem Kleid, ein anderes in Fußballschuhen, einen Jungen mit lackierten Nägeln, einen anderen als Spiderman verkleidet, ein Mädchen mit Kopftuch, dunkelhäutige Zwillinge und viele mehr. Vielfalt ist jedoch komplex und beschränkt sich nicht auf das Erscheinungsbild oder greifbare Symbole. Am Anfang ist es schwierig, Vielfalt in Form von z. B. Gefühlen, die junge Menschen begleiten, ihren Krankheiten, Behinderungen oder Sorgen, die sie von zu Hause mitgebracht haben, zu erkennen.


Die Aufgabe der Pädagogin bzw. des Pädagogen während des Austauschs besteht darin, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern bewusst zu machen, dass Vielfalt ganz normal ist.3 Entscheidend ist hier die Fähigkeit, die Einarbeitungsphase selbst zu reflektieren – hierbei können die praktischen „Gebote zu Beginn des Austauschs” helfen:

  1. Machen Sie sich mit den Vornamen aller Personen4 vertraut, die am Austausch teilnehmen5 (s. auch „Situation von Frauen und Männern”). Die Aussprache von Namen kann vor Ort eine große Herausforderung darstellen, und die Erfahrung zeigt, dass an deutsch-polnischen Projekten Kinder unterschiedlicher ethnischer und sprachlicher Herkunft teilnehmen. Die Namen zu kennen, zeugt von Interesse an anderen Kulturen und der Wertschätzung von Vielfalt.
  2. Achten Sie beim Spielen und bei Informationen zu Programm und Unterkunft auf Ihre Ausdrucksweise. Reflektieren Sie, ob dadurch jemand ausgeschlossen oder Stereotype vertieft werden, z. B. „Wir teilen uns jetzt in deutsche und polnische Kinder auf”, „Wir beginnen den Austausch mit einem gemeinsamen Essen – ich bitte drei Mädchen, in die Küche zu gehen, um den Kuchen zu schneiden”, „Wer hat vegetarisches und wer normales Essen bestellt?”.
  3. Regionale Köstlichkeiten sind immer ein interessantes Erlebnis. Aber ist es wirklich eine gute Idee, müden und hungrigen Kindern nach einer langen Busfahrt regionale Gerichte vorzusetzen? Lieber saure Suppe und Bigos erst nach ein paar Tagen servieren und bei der Ankunft auf „Klassiker”, wie Pfannkuchen oder Pasta setzen.
  4. Der Auftakt sollte für alle angenehm und schön sein. Über ein Seil zu springen und dabei seinen Namen zu nennen, ist kurzweilig und garantiert interessante Erinnerungsfotos, aber Menschen im Rollstuhl und all jene, die körperlich nicht fit sind oder schüchtern, werden übergangen. Ein angenehmer Start zeichnet sich durch einen durchdachten Methodenmix aus.6
  5. Analysieren Sie gemeinsam mit der Partnerschule, welche Personen am Projekt beteiligt sind und was es zu berücksichtigen gilt, damit sich alle willkommen fühlen und ihre Bedürfnisse bei der Methodenauswahl berücksichtigt werden.
  6. Denken Sie auch an Privatsphäre. In den ersten Stunden der Begegnung ist es besser, auf Spiele zu verzichten, bei denen körperlicher Kontakt notwendig ist. Menschliche Schubkarren zu bauen oder auf Stühlen zu stehen und die Plätze zu wechseln kann nur Spaß machen, wenn man die Gruppe gut kennt und sich der erwarteten Wirkung sicher ist.
  7. Länderabende vertiefen zumeist Stereotype, anstatt sie abzubauen, z. B. ein typisch polnischer Tanz, der nur in Volkstanzgruppen bekannt ist, Poster vom Oktoberfest etc. Stattdessen sollten lieber Aktivitäten für die jungen Menschen organisiert werden, die ihre wahren Interessen und Themen aufgreifen, wie z. B. ihre Lieblingssportarten.
  8. Große Symbole statt Text. Das Programm und die wichtigsten Informationen können für den Anfang als Symbole gezeichnet oder gemalt werden, die für jeden verständlich sind.7 Das Wort „Mittagessen” wird durch ein Tellersymbol ersetzt, das Wort „Reinigen” durch einen Besenstiel oder ein Eimersymbol etc.8
  • 1 Hauff, Steffen / Hülsmann, Kathrina / Krasowska, Natalia / Liedtke, Hannah-Maria / Rösch, Judith M. / Waiditschka, Klaus: Das hat Methode! Praxis-Handbuch für den deutsch-polnischen Jugendaustausch (PDF), DPJW, Potsdam / Warschau 2018, S. 47.
  • 2 Vgl. Kędzior-Niczyporuk, Elżbieta: O metodzie KLANZY, 2010.
  • 3 Sandu, Oana Nestian / Lyamouri-Bajja, Nadine: T-KIT 4. Intercultural learning (PDF), Europarat / Europäische Kommission, Straßburg 2018.
  • 4 Portmann, Rosemarie: Die 50 besten Spiele für mehr Genderkompetenz, Don Bosco Verlag 2015.
  • 5 Wörterbuch zur Gleichberechtigung der Geschlechter auf der Internetseite równość.info (PDF, auf Polnisch).
  • 6 Baustein zur nichtrassistischen Bildungsarbeit.
  • 7 bikablo® 1. Visuelles Wörterbuch, Neuland.
  • 8 von Tetzchner, Stephen / Martinsen, Harald: Wprowadzenie do wspomagających i alternatywnych sposobów porozumiewania się, Warszawa 2002, S. 7.

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