DIVERSITY BOX
PL / DE
Info
Search
menu

Situation von Frauen und Männern

Natalia Sarata
Antidiskriminierungstrainerin
Stiftung Raum für Frauen, Gesellschaft für Antidiskriminierende Bildungsarbeit

Warum reden wir über Geschlecht, wenn wir über Vielfalt reden?

Das Geschlecht ist eine der Dimensionen von Vielfalt. Diese Dimension ist wichtig, denn oft werden Jungen und Mädchen, Frauen und Männer aufgrund ihres Geschlechts in denselben Situationen unterschiedlich behandelt, was nicht gerecht ist. Stereotype Überzeugungen davon, wie alle Frauen und alle Männer „sind“, besagen, dass jedes Mädchen/jede Frau zart, sensibel, schwach, still, zurückgezogen und fürsorglich ist, sich von Gefühlen anstatt von Logik leiten lässt, in der Schule geisteswissenschaftliche Fächer bevorzugt, usw. Alle Jungen/Männer müssten diesen Überzeugungen nach stark, emotional kalt, verschlossen und tatkräftig sein, sich von Logik anstatt von Gefühlen leiten lassen und eher naturwissenschaftliche Fächer wählen. Im Alltag beobachten wir natürlich, dass sich Mädchen voneinander unterscheiden, ebenso wie Jungen. Natürlich wird ein Teil der Jungen stark, laut und tatkräftig werden, ein Teil der Mädchen hingegen still und fürsorglich, aber nicht alle sind so, wie es uns Stereotype suggerieren.


Gleichberechtigung von Frauen und Männern

In Deutschland und Polen sind Frauen und Männer rechtlich gleichgestellt. In beiden Ländern haben Frauen 1918 die vollen politischen und staatsbürgerlichen Rechte erlangt. Nach wie vor entspricht die Realität jedoch nicht auf allen Gebieten dem Gesetz, was man u. a. an Zahlen zur Situation der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt oder im Parlament sehen kann. Die Untersuchungen zur Geschlechtergerechtigkeit (Internetseite auf Englisch) des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen 2015 für Europa zeigen, dass der Wert für Gleichberechtigung in Deutschland 65,5 von 100 möglichen Punkten beträgt, in Polen 56,8 und in Schweden, das am besten abschneidet, 82,6. Im Bundestag sind nur 31% der Abgeordneten Frauen, 69% sind Männer, im polnischen Sejm liegt der Frauenanteil bei 28%, der von Männern bei 72% (im schwedischen Parlament sind es 46% Frauen und 54% Männer). Auf der Internetseite des o. g. Instituts kann man nachlesen, wie sich dieser Prozess im Laufe der Zeit verändert hat (Internetseite auf Englisch).


Stereotype behindern Vielfalt

Stereotype und falsche Überzeugungen – auch unsere eigenen – über das Geschlecht können uns dabei behindern, einen für alle bereichernden Austausch durchzuführen. Wann kann dies z. B. wichtig werden?

  • Anstatt die Mädchen zu bitten, Notizen zu machen oder den Saal für die gemeinsame Disco zu schmücken, und die Jungen wiederum zu bitten, etwas vor der Kamera zu sagen oder Tische und Stühle aufzubauen, sollte auf gemischtgeschlechtliche Teams geachtet und offen gefragt werden, wer welche Aufgabe übernehmen möchte. Vielleicht gibt es in der Gruppe Mädchen, die kräftig genug sind, und Jungen mit einem Sinn für Ästhetik? Vielleicht hat einer der Jungen die perfekte Art entwickelt, sich Notizen zu machen, und ein Mädchen in der Gruppe kann sich wunderbar vor der Kamera äußern? Dies kann eine gute Chance sein, diese Vielfalt an Fähigkeiten unabhängig vom Geschlecht wahrzunehmen.
  • Wenn sich während einer Begegnung mehrere Personen zu Wort melden, empfiehlt es sich, in gleichem Maß Jungen und Mädchen dranzunehmen, um den Mädchen ein Signal zu geben, dass ihre Stimme genauso geschätzt wird und wertvoll ist wie die der Jungen. Manche Jungen reden lieber und selbstsicherer vor anderen und unterbrechen Mädchen häufiger beim Sprechen. Der Raum der Gruppe ist jedoch ein gemeinsamer Raum für alle, in dem Platz für die Ansichten verschiedener Menschen sein sollte, unabhängig von ihrem Geschlecht. Es lohnt sich, hierauf bei gemeinsamen Diskussionen in der Gruppe zu achten.
  • Sowohl im Deutschen als auch im Polnischen wird nach Geschlecht dekliniert. Im Deutschen ist das Anpassen z. B. von Berufsbezeichnungen eine selbstverständliche Grammatikregel, die auf das Geschlecht der Person verweist, von der die Rede ist („der Lehrer“ meint in Deutschland einen „männlichen Lehrer“, „die Lehrerin“ bedeutet wiederum eine weibliche Lehrkraft, während in Polen häufig die männliche Form als neutrale verwendet wird, die beide Geschlechter bezeichnet). Das Englische, das bei einem Austausch auch oft verwendet wird, ist geschlechtsneutral: „a teacher“ bezeichnet sowohl „den Lehrer“ als auch „die Lehrerin“. Bisweilen treffen wir jedoch im Englischen auf Wörter, mit denen ein bestimmtes Geschlecht ausgedrückt wird, z. B. „a chairman“ (der Vorsitzende) und „a chairwoman“ (die Vorsitzende), „a spokesman“ (Sprecher) und „a spokeswoman“ (Sprecherin) oder auch „a headmaster“ (Direktor) oder „a headmistress“ (Direktorin). Es lohnt sich, diese Wörter mit einer Unterscheidung nach Geschlecht zu verwenden. Sollten wir jedoch eine allgemeinere Bezeichnung benötigen, die beide Geschlechter einschließt, können wir auf Wörter zurückgreifen, die geschlechtsneutral sind, wie z. B. „a chairperson“, „a spokesperson“ oder „a headperson“. Da Sprache gesellschaftliche Prozesse wiederspiegelt, nutzt man im Polnischen immer häufiger emanzipierte Sprachnormen. So hören wir immer öfter – und mitnichten in scherzhaften Äußerungen – von „psycholożki“ (Psychologinnen), „dyrektorki“ (Direktorinnen), „profesorki“ (Professorinnen) und … „uczennice“ (Schülerinnen). Es lohnt sich, die Tatsache wahrzunehmen und sprachlich auszudrücken, dass es bei den „Schülern“ und „Teilnehmern“, die an einem Austausch teilnehmen, nicht nur um Jungen geht, und dass die „Lehrer“, die den Austausch organisieren, nicht ausschließlich Männer sind.

Materialien auf Deutsch:

Materialien auf Englisch:

Materialien auf Polnisch →

WISSEN ERWEITERN