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Auswertung und Abschied

Agnieszka Szczepanik
Coach und interkulturelle Trainerin
Verein Eine Welt – SCI Polen

Der Evaluation wird oft erst ganz zum Schluss der Vorbereitung eines Jugendaustauschprojekts Aufmerksamkeit geschenkt. Bedenkt man sie jedoch gleich mit, lassen sich Aktivitäten und Programmänderungen leichter umsetzen, an die Bedürfnisse der Gruppe anpassen und die Ziele der Begegnung besser erreichen. Es gibt viele verschiedene Tools, um die Stimmung und die Bedürfnisse der Teilnehmer/-innen laufend zu überprüfen.


Jeder Mensch lernt anders, und es lohnt sich, bei der Methodenauswahl für die tägliche Evaluation die Bedürfnisse von visuellen, auditiven und motorischen Lerntypen zu berücksichtigen. Auf diese Weise kann jeder auf seine Weise Gefühle und Bedürfnisse verstehen und ausdrücken. Um zu veranschaulichen, was auf der emotionalen Ebene in der Gruppe geschieht, können Sie eine Methode auswählen, sie jeden Tag wiederholen, die Veränderungen dokumentieren und entsprechend auf sie reagieren.

Neben der täglichen Auswertung gibt es zwei weitere wichtige Evaluationen: die Halbzeit-und die Abschlussevaluation. Die Halbzeit-Evaluation findet zu einem entscheidenden Zeitpunkt statt – die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennen sich bereits, haben ein paar Tage zusammen verbracht, sind etwas müde, aber haben noch die halbe Begegnung vor sich. Es lohnt sich, zu diesem Zeitpunkt eine kurze Ruhepause einzulegen, das Umfeld zu wechseln, aber auch einen Blick darauf zu werfen, was bisher passiert ist und welche Veränderungen vorgenommen werden sollten, um die Ziele des Treffens zu erreichen und die Zusammenarbeit in der Gruppe fortzusetzen. Es läuft schematisch betrachtet ein Gruppenprozess ab, der aus mehreren Phasen besteht: Orientierungsphase, Konfliktphase, Konsolidierungsphase, Durchführungsphase und Phase der Auflösung. Die Kenntnis dieses Modells hilft den Gruppenleiterinnen und –leitern, effektiv mit den Phasen umzugehen, schwierige Situationen konstruktiv zu meistern und die Evaluationsmethoden so anzupassen, dass die Jugendlichen gut zusammenarbeiten.1 Das DPJW hat ein Sherpa-Modell entwickelt, das das Modell des Gruppenprozesses bestmöglich auf Jugendbegegnungen überträgt2.

Für die Halbzeit-Evaluation bieten sich Neue Medien an, da sie einen ständigen Blick darauf erlauben, was die Schützlinge online miteinander teilen. Eine der Möglichkeiten hierfür ist eine geschlossene Facebook-Gruppe (für die Teilnehmer/-innen). Diese erleichtert zweifellos den Kontakt, bietet jedoch keine Anonymität, was in schwierigen Situationen von zentraler Bedeutung sein kann. Diese Anonymität wird gewährleistet, wenn Informationen über ein Google-Dokument gesammelt oder das sehr nützlicheTool „i-eval3 verwendet wird. Solch ein Format bietet sich auf jeden Fall für die Abschluss-Evaluation an, um alle Informationen zu den verschiedenen Teilbereichen des Austauschs zentral zu sammeln. Auch Fotos oder Karten (z. B. aus dem Spiel Dixit) können für die Abschluss-Evaluation verwendet werden. Durch die Visualisierungsmöglichkeiten können die Teilnehmer/-innen ihre Bedürfnisse ganz niedrigschwellig ausdrücken. Dies kann sowohl mit Blick auf persönliche als auch kulturelle Unterschiede wichtig sein. So fällt es beispielsweise deutschen Jugendlichen viel leichter, ihre Meinung offen zu äußern als polnischen. Hat ein(e) Jugendliche(r) aus Deutschland jedoch einen arabischen Migrationshintergrund, kann es sein, dass er/sie – gemäß den kulturellen Gepflogenheiten – seine/ihre Bedürfnisse nicht direkt, sondern nur indirekt äußert. In einer solchen Situation wird das „Verstecken“ hinter einem Foto ihm bzw. ihr helfen, diese offener mitzuteilen.

Bei Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen können anstelle von Fotos unterschiedlich geformte Steine oder Materialien mit verschiedenen Oberflächen angeboten werden. Wenn Personen in der Gruppe die andere Sprache nicht sprechen, bieten sich Methoden der Bewegungsevaluation (PDF) an. Die Methode muss den Fähigkeiten der Gruppe entsprechen, damit jeder sich ausdrücken und sehen kann, was um ihn herum und im Bezug zu anderen passiert.


Ein besonderer Moment in der Gruppenentwicklung ist die Abschiedsphase. Wenn man langsam packen muss, tauchen Gedanken an Familie, Schule oder Freunde zu Hause auf. Dies ist ein Zeichen dafür, dass eine Phase langsam endet und es Zeit ist, sich zu verabschieden. Dies kann für die Teilnehmer/-innen schwierig sein, da es auch bedeutet, sich von der Gruppe zu trennen. Menschen aus instabilen Familienkonstellationen, zum Beispiel Scheidungskinder, können sehr emotional auf die Heimfahrt reagieren. Auch für Jugendliche mit Migrations- und besonders mit Fluchterfahrung kann dieser Moment schwierig sein. Hier ist es möglich, dass die Abreise sie emotional in den Moment der Migration und die damit verbundene Unsicherheit über die eigene Zukunft zurückversetzt. Hilfreich ist zu vereinbaren, wie das Ende des Austauschs begangen werden soll – um sowohl den Erfolg zu feiern als auch den Abschied zu würdigen. Dadurch kann diese Phase abgeschlossen werden und die Jugendlichen bleiben offen für neue Herausforderungen oder einen weiteren Austausch. So wird das Ende der Begegnung als wichtiger Teil eines größeren Prozesses gesehen: die zeitliche Perspektive wird verlängert und so Raum geschaffen, um zu trauern als auch um für die Erlebnisse dankbar zu sein. Die Gespräche und die Abschiedsfeier können um eine spezielle Fotosession oder das Gestalten eines Gruppenamuletts ergänzt werden. Es kann auch hilfreich sein, im Rahmen der Abschluss-Evaluation gemeinsame Zukunftspläne zu schmieden.

Materialien auf Deutsch:

Materialien auf Englisch:

Materialien auf Polnisch →

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