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Vielfalt

Christoph Pinkert
Kulturpixel e. V.

Nicht alle Deutschen sind arrogant, pünktlich und fleißig. Nicht alle Polinnen und Polen sind gläubig, europakritisch und mutig.

Die Grundessenz einer vielfältigen Gesellschaft ist eine Wertschätzung jedes einzelnen Menschen, ohne ihn aufgrund seiner Herkunft, seines Alters, seiner Art zu arbeiten, zu lieben, zu beten oder nach unzähligen weiteren Kategorien einzuteilen, sowie positiv oder negativ zu bewerten.

Um Vielfalt jedoch ernsthaft zu leben und ein transkulturelles Pendant zur multikulturellen Einfalt zu erhalten, muss man einen Dreiklang an Erkenntnis- und Handlungsschritten durchlaufen.

Es gilt:

1. Vielfalt bei mir selbst wahrzunehmen,

2. Vielfalt bei anderen zu sehen und anzunehmen und

3. eine Kommunikation über Gemeinsamkeiten und Unterschiede gegenseitiger Vielfalt anzustoßen und dabei das Verbindende in den Vordergrund zu stellen.


Eigene Vielfalt erkennen

Sich selbst wahr- und anzunehmen heißt in erster Linie, sich nicht über Gruppenzugehörigkeit und deren vorurteilsvolle Zuschreibung zu definieren, wie etwa über die Gruppe der „kriminellen Ausländer/-innen“ oder der „arroganten Deutschen“ und „katholischen Polinnen und Polen“. Diese Sichtweise, sich selbst nur als Teil einer (geografischen) Gruppe zu sehen und die Gruppencharakteristika wie faul, fleißig, pünktlich, emotional usw. auf die eigene Person unreflektiert zu übernehmen, kann als Entfremdung1 bezeichnet werden. Die damit einhergehende Entgrenzung macht es leicht, andere Gruppen als minderwertig oder unterlegen zu betrachten – sie stellt die Grundvoraussetzung rassistischen Denkens dar.2 Denn warum sollte ich andere Menschen als mit Würde ausgestattete Individuen mit wertvollen und einmaligen Eigenschaften betrachten, wenn ich es für mich selbst nicht kann oder in Anspruch nehme? Vielfalt bei mir selbst wahrzunehmen, heißt einerseits meine Gruppenzugehörigkeiten zu hinterfragen und die Einengung von Eigenschaften und Charakteristika auf geografische Räume zu durchbrechen. Andererseits muss ich mir meiner Erfahrungen, meiner wandelbaren kulturellen Identität und meiner Werte bewusst sein, um meine Persönlichkeit zur Gänze entfalten zu können.


Vielfalt bei anderen erkennen und akzeptieren

Der zweite Schritt basiert darauf, die soeben beschriebene Selbstreflexion auf andere Menschen zu übertragen, d.h. sie als kostbare Einzelne zu betrachten, deren Leben es zu erfragen und nicht aufgrund von Herrschafts- bzw. Machtverhältnissen einzuschätzen gilt. Diese Sichtweise bildet die theoretische Grundlage der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Denn auch hier werden nicht Gruppen oder Länder adressiert, sondern der einzelne Mensch und dessen „angeborene Würde“. Wie aber kann ein Menschenrecht lebendig sein, wenn in der breiten Gesellschaft in der Regel keine individuellen Menschen mit Träumen, Sorgen, Fehlern und Bedürfnissen gesehen werden, sondern nur Gruppen, wie Deutsche, Polinnen und Polen, Juristinnen und Juristen, Veganerinnen und Veganer, die wiederum vorurteilsbehaftet mehrheitlich gut oder schlecht charakterisiert werden? Dabei steht außer Frage, dass jeder Mensch um dem Wahrnehmungschaos zu begegnen natürlicherweise Gruppen im Kopf bildet. Um der Vielfalt gerecht zu werden, muss ich diese Gruppen aber permanent hinterfragen, umgruppieren, erweitern oder verwerfen können.


Kommunikation über aus der Vielfalt resultierende Gemeinsamkeiten und Unterschiede initiieren, bei gleichzeitiger Berücksichtigung der verbindenden Elemente

„Ich sehe mich durch Dich“3 beschreibt hierbei die Leitidee des dritten Schrittes, um Vielfalt zu verstehen. Es muss zu einem direkten Austausch besonders über Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen einzelnen Angehörigen vermeintlich verschiedener Gruppen kommen, um Parallelen zum eigenen Leben zu erkennen und Teile von mir in meinem Gegenüber zu sehen.4

Internationale Jugendbegegnungen können junge Menschen aus verschiedenen Nationen zusammenbringen und Verbindungen entlang des hier entwickelten Dreiklangs von Vielfalt ermöglichen. Damit kann nicht nur Diversität mit Leben gefüllt werden, sondern ein notwendiger Beitrag gegen Diskriminierung, für die Stärkung der Menschenrechte sowie letztlich für geeintes Europa geleistet werden.

Wenn Vielfalt das offizielle Thema der Jugendbegegnung sein soll, gibt es unter „Vor der Begegnung“ weitere Tipps.

  • 1 In Anlehnung an Fromm, Erich: Wege aus einer kranken Gesellschaft, München 2014.
  • 2 Vgl. die Ausführungen von Iman Attia zu Othering und Rassismus.
  • 3 Ebenfalls Titel eines Projekts zur transkulturellen Vielfalt, welches in einer Wanderausstellung aufgearbeitet wurde.
  • 4 Es ist notwendig hierbei die Kriterien der Kontakthypothese zur Überwindung von Vorurteilen zu beachten, vgl. Stürmer, Stefan: Die Kontakthypothese, 2008, in: Petersen, Lars-Eric / Six, Bernd (Hrsg.): Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Intervention, Beltz Verlag, Basel, S. 283-291.

Materialien auf Deutsch:

Materialien auf Englisch:

Materialien auf Polnisch →

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