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„Wir“ und „Sie“

Malina Baranowska-Janusz
Interkulturelle Psychologin, Antidiskriminierungstrainerin

Sowohl im Alltag als auch bei der Arbeit mit Menschen sind Gruppenprozesse eines der wichtigsten Themen. Wir leben in Gruppen und Untergruppen, angefangen von der Familie, in die wir hinein geboren wurden, über Bekannte hin zu einer nationalen oder ethnischen Gruppe. Auf die Frage „Wer bin ich?“, antwortet jede(r) von uns, indem sie/er sich auf ihre/seine individuelle und auf ihre/seine kollektive Identität beruft. Sämtliche Antworten, die persönliche Eigenschaften beinhalten – ich bin groß, belesen usw. – werden sich auf die individuelle Identität beziehen. Die zweite Art von Identität bezieht sich auf die Gruppenzugehörigkeiten oder auch die gesellschaftlichen Rollen, die wir ausüben: Ich bin Tochter, Polin, Schülerin, Angestellte usw.


Die Identität ist bei der Arbeit mit internationalen Gruppen ein besonders wichtiges Thema, da zumindest einer ihrer Aspekte – die nationale oder ethnische Zugehörigkeit – dann deutlicher exponiert ist. Dies liegt daran, dass sich die jeweilige Gruppe aus vielen verschiedenen Personen zusammensetzt. Die nationale oder ethnische Identität ist – wie auch viele andere Charakteristika wie das Alter, das amtliche Geschlecht, der Geburtsort oder die Leistungsfähigkeit – angeboren, von uns unabhängig und im Grunde unveränderlich, weshalb die Arbeit mit ihr große Achtsamkeit und Sensibilität erfordert.

Das Thema ist umso wichtiger, als dass es häufig die oben genannten Identitätsmerkmale sind, auf die sich Gruppenprozesse beziehen, die wiederum so funktionieren, dass eine Gruppe als die eigene bzw. fremde wahrgenommen wird und Merkmale kategorisiert werden.1 Treffen wir eine/-n Vertreter/-in der jeweiligen Gruppe, greifen wir zunächst auf das am einfachsten zugängliche Wissen zurück, das heißt auf Stereotype (vereinfachte Überzeugungen). Danach kommen Vorurteile (Stereotype + Gefühle gegenüber der jeweiligen Gruppe) sowie Diskriminierung (d. h. die beiden zuvor genannten + ausschließendes oder herabsetzendes Verhalten) ins Spiel.

Bei der Arbeit mit einer Gruppe ist es gut, wenn man sich bewusst ist, worauf Stereotype und Vorurteile basieren und wie man diskriminierende Kommentare und Verhaltensweisen erkennt. Es gibt zwei Möglichkeiten, sie zu neutralisieren: durch direkten, persönlichen Kontakt mit einem Vertreter oder einer Vertreterin der Gruppe, der/die es erlaubt, die Person und ihre Geschichte kennenzulernen; d. h. sie im übertragenen Sinn „aus der Schublade zu ziehen“, auf der „die Anderen“ steht: „diese Deutschen“ oder „diese Polen/Polinnen“. Die zweite besteht in reflektierter, mehrdeutiger kreativer Arbeit. Neuste Forschungen zu Stereotypen2 zeigen, dass Menschen offener für Andersartigkeit werden, wenn sie vorher gemeinsam kreativ gearbeitet haben, z. B. unkonventionelle Lösungen für eine bekannte, einfache Aufgabe gesucht haben.

Wie bewahrt man in einer Gruppe die Vielfalt, die frei ist von Stereotypen? Eine gute Vorgehensweise ist, Untergruppen aufzulösen, über individuelle Erfahrungen zu sprechen, Generalisierungen zu vermeiden, kreative Aufgaben vorzuschlagen, an Ähnlichkeiten zu arbeiten, Unterschiede zu akzeptieren und konsequent auf Anzeichen von Diskriminierung zu reagieren.


Wenn wir uns nicht sicher sind, ob wir nicht zufällig Stereotype und diskriminierende Aussagen verwenden, können wir für uns folgende Fragen beantworten, bevor wir mit der Arbeit mit einer internationalen Gruppe beginnen:

  1. Welches sind meine ersten Assoziationen zu der Gruppe, mit der ich arbeiten soll? Woher kommen sie? Beruhen diese auf eigenen Erfahrungen oder auf Hören-Sagen?
  2. Habe ich mich schon einmal aufgrund dessen, wer ich bin, bewertet gefühlt? Was für eine Situation war das? Weshalb genau ist es dazu gekommen? Wie habe ich mich damals gefühlt?

Materialien auf Deutsch:

Materialien auf Englisch:

Materialien auf Polnisch →

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